Personalmangel in der Kinderbetreuung: Plochinger Stadtverwaltung im Gespräch mit MdL Birnstock

Kinderbetreuungseinrichtungen sind von massivem Personalmangel betroffen. Vor diesem Hintergrund trafen sich Bürgermeister Frank Buß, Uwe Bürk, Amtsleiter für Familie, Bildung und Soziales und MdL Dennis Birnstock zu einem Gespräch im Kinderhaus am Johanniterpark.

Nahezu in ganz Deutschland wird die Kinderbetreuung von massivem Personalmangel und Überlastung geprägt, der seit 1996 bestehende Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz sowie bürokratische Hürden erschweren die Situation zusätzlich. Seit Jahren bereits prognostizieren die Kommunalen Spitzenverbände und der Kommunalverband für Jugend und Soziales einen zusätzlichen Bedarf an bis zu 80.000 Kinderbetreuungsplätzen und weiteren rund 41.000 Fachkräften bis 2030. 

Da sich auch Plochingen eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Aufgabe gemacht hat, investierte die Stadt, wie alle Kommunen im Land, massiv in den Ausbau der Kinderbetreuung, um Kindern und Eltern zuverlässige und pädagogisch wertvolle Betreuungsangebote bieten zu können. Neben dem Bau von Betreuungseinrichtungen erfordert dies auch die Bereitstellung von ausreichend Erziehungspersonal – angesichts des flächendeckenden Fachkräftemangels und unzureichender Arbeitsbedingungen gelingt dies jedoch trotz größter Bemühungen nicht. Vielmehr noch: Personalengpässe, steigende Zahlen zu betreuender Kinder und neben der Betreuungsaufgabe anfallende Tätigkeiten werden zulasten des bestehenden Personals umgelegt – Arbeitsausfälle, Überlastungsanzeigen und Personalabwanderungen sind die Folge. Gleichzeitig werden seitens der Landesregierung durch die Bertelsmann-Stiftung regelmäßig bestbewertete, hohe Personalstandards und vielversprechende Personalschlüssel vermittelt, die die kommunale Wirklichkeit jedoch bisweilen vielmehr verschleiern als tatsächlich widerspiegeln.
Angesichts der drohenden Verschlimmerung der Situation wandte sich Plochingens Bürgermeister Frank Buß bereits Anfang Februar mit einem eindrücklichen Brandbrief an Kultusministerin Theresa Schopper und drängte auf eine zeitnahe Lösungsperspektive – bislang äußerte sich die Ministerin jedoch nicht dazu. 

Dies veranlasste den Rathauschef, gemeinsam mit Uwe Bürk, Amtsleiter für Familie, Bildung und Soziales, das Gespräch mit Dennis Birnstock, Mitglied der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, seiner persönlichen Referentin Doris Betz und Ulrich Fehrlen, Kreisvorsitzender des FDP Kreisverbandes Esslingen zu suchen. Bei einem gemeinsamen Rundgang durch das im Januar 2020 eröffnete Kinderhaus am Johanniterpark verdeutlichten Bereichsleiterin Doris Englisch und die stellvertretende Leiterin, Renate Oslislo, die Brisanz der Situation vor Ort und den dringenden Handlungsbedarf. In Gesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeige sich, dass diese oftmals nicht nur hochbelastet, sondern auch unzufrieden sind, da sie eigene Ansprüche an ihre Arbeit nicht erfüllen können. „Qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit ist oftmals gar nicht möglich, da ständig immer nur Lücken gefüllt werden müssen,“ spiegelte Oslislo die Rückmeldungen wider. 

Die Stadt Plochingen ist Träger für sechs Betreuungseinrichtungen, vier weitere sind in kirchlicher Trägerschaft, „bereits jetzt arbeitet rund ein Drittel meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kita-Bereich,“ berichtete Buß. „Ich sehe künftig zwei Sorten Kinder: die einen, die hochwertig betreut werden und die anderen, die gar nicht betreut werden. Diese Schieflage muss ausgeglichen werden und hier sehe ich vor allem die Landesregierung in der Pflicht.“ Der Rathauschef hoffe daher auf ein baldiges Signal des Kultusministeriums. „Die Situation ist dramatisch und wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Einzellösungen reichen hier nicht aus,“ stand auch für Amtsleiter Bürk fest. „Wir reichen Personal weiter, das wir nicht haben. Oft wissen die Einrichtungsleitungen sonntagabends nicht, wer montags arbeiten kann.“ 

MdL Birnstock, der sich als Sprecher der FDP-Landtagsfraktion für frühkindliche Bildung einsetzt, waren die Sorgen und Nöte nicht unbekannt: „Es braucht pragmatische, schnelle und funktionierende Lösungen; ein guter Betreuungsschlüssel auf dem Papier hilft in der Praxis nicht weiter.“ Sein Ansatz sei daher, nicht nur Gruppen zu vergrößern, sondern durch Erhöhung der Ausbildungskapazitäten und durch Ausweitung des Fachkräftekatalogs, z.B. durch Berücksichtigung von Ehrenamtlichen und Zusatzkräften im Personalschlüssel, dafür zu sorgen, dass dieser auch in der Praxis funktioniert und genügend Personal vorhanden ist.
 
Zweifelsohne trifft der Fachkräftemangel auch andere Bereiche, doch hinsichtlich möglicher Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation in der Kinderbetreuung waren sich alle Beteiligten einig: eine Ausweitung des Fachkräftekatalogs sowie der Abbau von Standards, Anforderungen und bürokratischen Hürden wird unumgänglich sein. Auch Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, multiprofessionelle Teams, Personalzuwanderung aus anderen Bereichen oder aus dem Ausland sowie Anreize, um bestehendes Personal zu halten und neues zu gewinnen, stellen Möglichkeiten dar, mithilfe derer die anfallende Arbeit gut und sinnvoll auf genügend Schultern verteilt und auch weiterhin bewerkstelligt werden kann. An erster Stelle muss dabei stets die Entlastung und Unterstützung fachlich qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen, sodass diese sich wieder umfänglich der pädagogischen Arbeit am Kind widmen können.
 
MdL Birnstock sicherte zu, die Eindrücke und Vorschläge im Rahmen seiner Möglichkeiten aus der Opposition heraus im Landtag einzubringen, wofür sich die Vertreterinnen und Vertreter der Plochinger Stadtverwaltung und der Kinderbetreuung herzlich bedankten. Darüber hinaus müsse jedoch auch seitens der Landesregierung „ein Erwachen kommen,“ so Bürgermeister Buß, um gemeinsam mit den Kommunen Lösungsperspektiven zu entwickeln und die Bedingungen für Betreuungspersonal baldmöglichst zu verbessern.

Im Kinderhaus am Johanniterpark, v.l.n.r.: Ulrich Fehrlen, Kreisvorsitzender des FDP Kreisverbandes Esslingen; Renate Oslislo, stellvertretende Einrichtungsleiterin; Uwe Bürk, Amtsleiter für Familie, Bildung und Soziales; Dennis Birnstock, Mitglied der FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg; Bürgermeister Frank Buß; Bereichsleiterin Doris Englisch