"Bürgermeister war seine Bestimmung" - Nachruf für Plochingens ehemaligen Bürgermeister Eugen Beck

Plochingens langjähriger Altbürgermeister Eugen Beck ist im Alter von 82 Jahren überraschend gestorben.

Von Matthias Drißner - Plochinger Nachrichten

Plochingens ehemaliger Bürgermeister Eugen Beck
Bürgermeister a.D. Eugen Beck

Eugen Beck hat in seiner 39-jährigen Amtszeit als Bürgermeister die Stadt Plochingen maßgeblich geprägt. Meilensteine seines Lebenswerks waren die Stadtsanierung mit der Umsetzung des Alten Rathauses sowie der Erschaffung des Marktplatzes und der Fußgängerzone. Mit dem Hundertwasserhaus, dessen Realisierung er nachdrücklich in die Wege leitete, erhielt Plochingen ein neues Wahrzeichen. Indem Beck die Gartenschau nach Plochingen holte, gelang es ihm, den Neckar für die Stadt wieder erlebbar zu machen und mit dem Erwerb des Dettinger-Areals und der Einrichtung des Kulturparks schuf der Kunstliebhaber eine neue Heimat für Kulturschaffende und Vereine. Beck hat viele Spuren hinterlassen. Nach seinem plötzlichen Tod wurde er unter großer Anteilnahme am 23. September 2022 auf dem Waldfriedhof beigesetzt.

Als 29-Jähriger überzeugte Eugen Beck das Plochinger Wahlvolk 1969 mit dem Slogan „jung, dynamisch, erfahren“. Als er im Jahr 2008 in den Ruhestand ging, war er Baden-Württembergs dienstältester Bürgermeister. Beck war die Hälfte seines Lebens Bürgermeister. Bei seiner Verabschiedung als Schultes wurde er mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Plochingen ausgezeichnet. Dass er fünf Mal wiedergewählt und als Ehrenbürger gewürdigt wurde, sei der beste Beweis dafür gewesen, „dass ich Ihr Vertrauen nicht missbraucht habe“, meinte er damals.

Mit Gottvertrauen und Glück

Bürgermeister zu sein war für Beck „eine der schönsten Aufgaben, die man haben kann“. „Ehre und Gewissen“ seien sein Leitfaden gewesen. In einer Demokratie gebe es keine größere Ehre, als stets auf's Neue Vertrauen geschenkt zu bekommen. Und manchmal sei „ein schlechtes Gewissen besser als gar keines“, fügte er augenzwinkernd hinzu. Sich mit Leidenschaft für andere einzusetzen und „den Menschen mit ihren Sorgen in die Augen schauen“, das zeichne Bürgermeister aus. Dabei war ihm Respekt gegenüber dem Anderen, vor der Würde des Menschen und der Schöpfung immer wichtig. Auch „Gottvertrauen und Glück“ brauche ein Bürgermeister, sagte Eugen Beck einst. Er habe viel Glück gehabt, Bürgermeister in einer Friedensära zu sein, „wo man gestalten konnte und eine neue Stadt bauen durfte“.

Bürgermeister mit Leib und Seele

Was den Abschied von Eugen Beck so besonders mache, sei seine Plötzlichkeit, sagte Pfarrer Gottfried Hengel beim Trauergottesdienst, den der Posaunenchor unter der Leitung von Frank Schilling begleitete. Kurz nach einer Wanderung musste Beck notfallmäßig ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo er wenige Stunden später verstarb. Nach Hengel sei Eugen Becks Wunsch eine bescheidene Trauerfeier im kleinen Kreis gewesen. „Diesen Wunsch können wir ihm nicht erfüllen“, meinte der Pfarrer angesichts der großen Trauergemeinde, bei der selbst die vor der Friedhofskapelle aufgestellten Stühle nicht ausreichten. Hengel bat darum, zumindest den betont schlichten Charakter der Feier zu respektieren. Daher gebe es auch nur einen Nachruf von Bürgermeister Frank Buß, auf weitere solle verzichtet werden. In seiner Ansprache bezog sich der Pfarrer auf Becks Konfirmationsspruch. Der recht unbekannte Bibelvers (Kolosserbrief Kap. 4, Vers 5 und 6) hätte auch „als Handlungsanweisung für Bürgermeister“ stehen können, meinte er. „Eugen Beck hat die Lebenszeit, die ihm Gott geschenkt und die Aufgabe, die die Bürgerinnen und Bürger Plochingens ihm anvertraut haben, mit Weitblick und großem Engagement ausgefüllt – und war dabei auch um die rechten Worte nicht verlegen.“ Er hatte nicht einfach das Amt inne, sondern war Bürgermeister mit Leib und Seele. „Es war für ihn Bestimmung“, gehörte zu seinem Wesen. Ihn in einer anderen Tätigkeit vorzustellen, falle schwer. 

Beck machte die Aufgaben, die das Bürgermeisteramt mitbrachte, zu seiner Lebensaufgabe und nahm sie ernst. Er hatte seine Standpunkte und vertrat sie auch. Mit Überzeugung trug er seine Meinung klar und freundlich vor. Als Kümmerer schulterte er die Bürde des Amtes mit all ihren Einschränkungen. Hengel dankte seiner Familie, weil vor allem ihr durch die große Identifizierung mit seinem stets im Vordergrund stehenden Amt Vieles abverlangt wurde. Dennoch sei ihm die Familie wichtig gewesen.

Kreativ begabt, vom Schöpfer getragen

Obwohl es Eugen Beck, in bescheidenen Verhältnissen in Bopfingen-Oberdorf aufgewachsen, nicht in die Wiege gelegt war, später eine Stadt zu leiten, schloss er nach der Volksschule erst eine Ausbildung im Postdienst ab,holte das Abitur nach und absolvierte dann ein Studium zum Verwaltungsdienst. Seinem Heimatort blieb er zeitlebens verbunden. Seiner kreativen Begabung und Leidenschaft für das Basteln und Gestalten kam er vor allem im Ruhestand nach. Für das beeindruckende, in mühevoller Kleinstarbeit geschaffene Werk seiner „Plochinger Krippe“, welche die Geburt Jesu in das Plochinger Stadtgeschehen einbettet, formte er liebevoll Gebäude und Persönlichkeiten aus Plochingen detailgenau nach und gab ihnen einen Platz in der Weihnachtsgeschichte. Auch wenn er seinen Glauben an Gott nicht plakativ nach außen getragen 
habe, sei ihm dieser wichtig gewesen, das habe man gespürt. Christliche Maßstäbe wie Fairness und Gerechtigkeit prägten sein Leben und seine Arbeit. Hengel ist überzeugt, dass er sich „auch von Gott begleitet und getragen wusste“. Seine Zeit habe Beck genutzt und als von Gott geschenkte Zeit verstanden.

Seine nun begonnene Reise habe ein Ziel, bei dem er Gott begegne und dessen Engel „soll ihn auf dieser Reise begleiten“, sagte der Pfarrer. „Wir lassen Eugen Beck ziehen und wissen ihn behütet auch auf dem Weg in die Ewigkeit.“ Wir bleiben zurück, aber „vieles bleibt uns, was Eugen Beck hinterlässt“. Und die Einladung des Bibelverses bleibe auch uns: Die geschenkte Zeit füreinander zu nutzen, anderen freundlich und klar gegenüberzutreten – diese Linie führe in die Zukunft.

Bürgermeister als Berufung

Plochingens Bürgermeister Frank Buß betonte in seiner Trauerrede, dass für Eugen Beck sein Amt „nie Beruf, sondern immer Berufung war“. Er zitierte den Landrat Heinz Eininger, der bei Becks Verabschiedung als Bürgermeister sagte: „Sie haben sich mit Ihrer Stadt und mit Ihrem Amt identifiziert. Mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand sind Sie auf Ihrem Posten gestanden.“
Als Bürgermeister habe Beck „mit voller Kraft, großem Weitblick, beispielhafter Energie und einer bemerkenswerten Hartnäckigkeit“ viele Projekte zur Stadtentwicklung vorangetrieben, sagte Buß. Mit visionären Ideen habe er auch viel Besonderes geschaffen, „Dinge, die eigentlich nicht gehen“, wie dies einer seiner Kollegen einmal ausdrückte. Mit vier Beispielen verdeutlichte Frank Buß die herausragenden Leistungen seines Vorgängers.

Der Stadt ein neues Gesicht geschenkt

Bei der Konzeption und Umsetzung der Sanierung der Stadtmitte galt es, identitätsstiftende Strukturen für die Stadt zu erhalten, sie aber modern auszurichten. Das Alte Rathaus ließ Beck versetzen und schuf die Fußgängerzone und den Marktplatz, „das vitale Zentrum unserer Stadt“.

Zum Abschluss der Innenstadtsanierung erkannte Beck, dass das Areal „Marktstraße Süd“ zwischen Bahngleisen und Schorndorfer Straße nur durch einen großen architektonischen Wurf aufgewertet werden konnte. Entschlossen verfolgte er seine Vision und stellte über Plochingens österreichische Partnerstadt Zwettl den Kontakt zum Künstler Friedensreich Hundertwasser her. Dieser ließ aus dem Sanierungsfall ein Gesamtkunstwerk entstehen, womit Plochingen ein weiteres Wahrzeichen geschenkt wurde, das die Stadt weit über ihre Grenzen hinaus bekannt machte.

Ein weiterer nachhaltiger Coup gelang Beck, als er 1998 die Landesgartenschau nach Plochingen holte – nie zuvor fand sie in einer Kleinstadt statt. Die Stadt brachte er dadurch wieder an den Neckar, trotz der zerschneidenden Bahntrasse. Am Bruckenwasen entstand aus einer Industriebrache eine Wohnlandschaft mit Landschaftspark, „heute ein unverzichtbares Naherholungsgebiet“, so Buß. Darüber hinaus legte Beck mit dem Erwerb der Mühlsteinfabrik den Grundstein für den Kulturpark Dettinger, der heute Heimat für Kunstschaffende und Vereine ist und zum Verweilen und Erholen einlädt.

Nie abgehoben, mit klarem moralischem Kompass

Buß betonte, dass für Beck „neben Städtebau, Architektur und kommunaler Infrastruktur“ immer auch der „innere Zusammenhalt der Stadtgemeinschaft“ wichtig war. Für Dinge, „die unser Leben schön und lebenswert machen“, wie Kultur, Kunst, Musik und Sport, setzte er sich ein. „Seine knitzen Gedichte, sein trockener Humor, seine Lebensweisheiten oder das gemeinsame Singen bei Fahrten des Gemeinderats“ blieben unvergesslich. Dabei sei er als Bürgermeister „nie abgehoben“ gewesen, sondern stand mitten im Leben. Mit großem Respekt und hoher Anerkennung dankte ihm die Bürgerschaft dafür. Für seine großen Verdienste für Plochingen erhielt Beck 2008 die höchste Auszeichnung einer Stadt, die Ehrenbürgerwürde, verliehen.

Eugen Beck sei „ein Mensch mit klarem moralischem Kompass und festen politischen Überzeugungen“ auch ohne Parteibuch gewesen, beschrieb Buß. Er engagierte sich im Kreistag, dem er von 1971 bis 2009 angehörte, für die Freien Wähler sowie von 2005 bis 2009 im Verkehrsausschuss in der Verbandsversammlung der Region Stuttgart. Zudem genoss Beck „eine herausragende Reputation“ bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Landkreis sowie im Kreisverband des Gemeindetages. Er sei „ein beispielgebendes Vorbild für erfolgreiches kommunalpolitisches Wirken, für das Erkennen von Chancen und für eine kontinuierliche Entwicklung“ gewesen.

Den Partnerstädten und Vereinen verbunden

Als „überzeugter Europäer“ habe Beck die Städtepartnerschaften mit Landskrona, Zwettl und Oroszlány sowie die Freundschaften mit Luckau, Svitavy und Cividale aktiv gefördert und gepflegt. Landskrona zeichnete ihn mit der Ehrennadel in Gold aus und die Stadtgemeinde Zwettl verlieh ihm für seine „hervorragenden Verdienste um die Kultur“ das Ehrenzeichen. Für Beck waren zeitlebens „die Begegnungen in und mit unseren Partnerstädten immer etwas ganz Besonderes“, wie er selbst einmal sagte. Ein Zeichen höchster Wertschätzung sei, dass die ehemaligen Bürgermeister Harry Müller mit seiner Frau Regine aus Luckau und Gabor Rajnai aus Oroszlány zur Beerdigung anreisten, merkte Buß an.

Ferner habe Beck Vereine und Organisationen unterstützt und gefördert, war selbst Mitglied in zahlreichen Vereinen, Initiator des Arbeitskreises Plochinger Vereine (AKPV) und auch mit der Freiwilligen Feuerwehr sei er eng verbunden gewesen.

Eugen Beck war irgendwie immer da

Zuletzt bemerkte Frank Buß, dass er persönlich Eugen Beck fast sein ganzes Leben lang kannte. Schon als Kindergartenfreund von Waltraud und Eugen Becks Tochter Ulrike sei er immer wieder Gast im Hause Beck gewesen. Buß kannte Beck als Bürgermeister während seiner Ausbildung, als Vorgesetzten in seiner Dienstzeit, als Kollegen während er Bürgermeister in Kohlberg war und auch in der Kreistagsfraktion und weiteren Gremien gab es enge Berührungspunkte. Er sei auch nach Becks Ruhestand „stets dankbar für die vertraulichen Gespräche und guten Ratschläge“ gewesen, wobei das Verhältnis „von Respekt und gegenseitiger Sympathie geprägt war“.

Jetzt gelte es, Eugen Beck auf seinem letzten Weg auf dem in seiner Amtszeit gebauten Waldfriedhof zu begleiten und Abschied „von einem großen Mann und verdienten Bürgermeister“ zu nehmen. Der Familie Beck wünschte Frank Buß Kraft und Zuversicht.

Unter Glockengeläut folgte die Trauergemeinde der zum Grab von Eugen Beck getragenen Urne. Nach dem Segen von Pfarrer Hengel verabschiedeten sich die Familienangehörigen und Weggefährten in stillem Gedenken vom Verstorbenen.